Im Erdmittelalter gab es Trias, Jura und Kreidezeit. Viele Millionen Jahre Vergangenheit. Schultafeln mit Griffeln und schwarze Schreibtafeln mit Kreide. Auch Vergangenheit, wenngleich nur 50 Jahre. Wer Smartphone, Tablet und Suchprogramme schon beinahe als eingewachsene Körperteile sieht, für den sind beide Kreidezeiten unendlich weit weg.
Aber nun! 1949. Weihnachtszeit. Ich war in der dritten Klasse Volksschule und mein Vater war Monate zuvor aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Mein Wunsch nach einer echten kleinen Schreibtafel mit Gestell wurde mir vom noch nicht sehr vertrauten Vater, zu Heilig Abend erfüllt. Zwar hatte die Tafel alte blaue Linien und für mich eigenartige Symbole, aber lackglänzend sah die Platte aus wie neu. Was mir fehlte, waren weiße Schreibkreiden. Die Mutter hatte nur ein Stück ergattert.
Aber ich war ja ein schulpflichtiges Bauernkind mit Hütebubendiplom und deshalb in vielen Fällen praxisnah. Obwohl ich beim Unterricht eher Distanz zur Riesentafel hielt, wusch ich nach Unterrichtsende gaaaanz freiwillig die Tafel ab. Und ei der Daus? Rote, grüne, gelbe und blaue Restmalkreidestücke wanderten wie von selbst in die, mit einem Sackmesser (Jugendsprache „Krottaschinder“) beschwerte Hosentasche. Einst war ich adoleszenzgepeinigt als Lehrerimitator an meiner Privattafel zugange. Die bunten Kreidestücke färbten mein weißes Festtagshemd zu einem, vor der Zeit aufgetauchten Hippieutensil um. (Viele Jahre später konnte ich in den USA das unwiederholbare Hippiegefühl genießen und für immer traumverpacken). Die Mutter fand die bunte Kreide im Hosensack des Sprößlings, wedelte mit der farbenfrohen Mutterhand und sagte: „Hör auf mit dem Kreidestibitzen, sonst darfst du bald nicht mehr zur Schule“!
Ich träumte daraufhin meinerseits kurz vom lebenslangen Forellenangeln und Steinpilzsuchen. Doch mit des Geschickes Mächten war kein Elternbund zu flechten und so trottete ich wie gehabt anderntags wieder zur Schule.
Mundartgedicht im Kerzenlicht
BOINÖGLAT DI DIA KÄLTA DUSSA, ZWALG WOITLA HOI; SCHÜRS SCHTÜBLA EIN.
NOLL AM A LOIBLA, ISS A HAMPFL NUSSA, OND GRIASS-DI-GOTT, KLOINS JESULEIN.
Das Blogteam wünscht weihnachtliche Klicksgefühle!!!